36 Emzelgebietc.
Bedeutung der Ostsee in der Geschichte der deutschen Seeschiff-
sahrt. Die schwache Flut der Ostsee, die zahlreichen, den Verkehr erleichternden
Gestadeinseln und Halbinseln, die vielen Buchten, Förden und Haffe, die eimnün-
denden schiffbaren Flüsse und ganz besonders die Nähe der Gegengestade boten
die günstigsten Bedingungen für die Anfänge der deutschen Seeschiffahrt. An der
buchtenreichen wendischen Küste im W. der Ostsee mit den Städten Lübeck,
Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald war der Hauptsitz der Hansa, und von
hier aus trugen die Hanseaten den Ruf deutscher Kraft und Macht weithin über die
Gestadeländer der Ost- und Nordsee. Die Ostsee, ein Binnenmeer, wurde dank
ihrer eigenartigen Natur die Wiege der deutschen Seeschiffahrt und des deutschen
Zeehaudels.
Seit der Wiederaufrichtung des deutschen Kaisertums gewann das Deutsche
Reich mit erstaunlicher Raschheit wieder Seegeltung, und auch die Bedeutung
der Ostsee hat sich infolgedessen wieder wesentlich gehoben, zumal nun auch der
Nordostseekanal das ganze Ostseegebiet dem Weltverkehr näher gerückt und die In-
dustrie in der Mark und in Schlesien sich wesentlich gehoben hat.
Heute ist Stettin (235000 6.) hauptsächlich infolge des Aufschwungs der
Reichshauptstadt die erste preußische Seehandelsstadt an der Ostsee. Nach der Bollen-
dung des Großschiffahrtswegs nach Berlin wird es noch an Bedeutung gewinnen.
Lübeck, Stralsund und Warnemünde vermitteln den Verkehr nach N., Tanzig
und Königsberg hauptsächlich den nach dem Russischen Reiche, Kiel mit dem
deutschen Reichskriegshafen endlich schirmt den friedlichen Wettbewerb des dent-
fchen Kaufmanns in der Ostsee und zugleich die deutsche Wasserstraße nach der
Nordsee.
Tie größere Entfernung der Ostsee vom Weltmeer, ihre langanhaltende Ver-
eisung, endlich die Tatfache, daß ihre Uferstaaten vorwiegend Äckerbau treiben,
schränken ihre Bedeutung für den Verkehr naturgemäß eiu.
Die Grundlagen der deutschen Seemacht.
Tie Bedingungen für die Entwicklung Deutschlands zu einer Seemacht scheinen
nicht sonderlich günstig zu sein. Es fehlt dem Deutschen Reich vor allem die unmittel-
bare Berührung mit dem Ozean, und seine Küsten sind, wie die holländische, vorwie-
gend slach und durch ausgedehnte Sandbänke und Untiefen gefährlich („Nordsee—
Mordsee"). Dazu haben sie auch eine wesentlich geringere Ausdehnung als die der
europäischen Westmächte. Gleichwohl sprechen zahlreiche Gründe für unser Recht
auf das Meer.
1. Geographische Gründe. Das Deutsche Reich hat Anteil an der Nord-
und Ostsee, und durch diese wird es mit ihren Gestadeländern und den überseeischen
Gebieten verknüpft.
Tie Länge der deutschen Küste macht immerhin ein Viertel der gesamten
Landesgrenze aus. _ ^
Tie Hauptabdachung des Landes geht nach dem Ozean; alle deutschen Ströme
— die Donau ausgenommen — streben nach der Nord- und Ostsee hin und setzen
dadurch das Meer mit einem weitausgedehnten und sehr produktiven Hinterland
in Verbindung.
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Dunenkuste der Nordsee bei Norderney.
Die Nordseeküste ist in ihrem heutigen Aussehen hauptsächlich das Werk der Winde. Die Südwestwinde haben den vom Meere abgelagerten Flugsand zu Hügeftt von 30 bis 40 m
Höhe angehäuft und Sturmfluten haben diese wieder zerrissen und zu Inseln umgeformt. Wo der Sand unverhüllt zu Tage tritt, erkennt man genau die einzelnen angewehten
Sand.chichten, die wie die Gesteinsschichten der Gebirge übereinander folgen. Auch in den mannigfach eingeschnittenen Erhebungen gleichen die Dünen kleinen Gebirgen. Auf
den flachen Abhängen und den Kämmen der Dünen gedeihen hauptsächlich verschiedene Dünengräser,' weiter landeinwärts abgelöst von Heidekraut und dann von Kiefernaufschlag.
Die Bewohner unterstützen den Pflanzenwuchs mit allen Mitteln, da er es ist, der die Dünen vor dem Wandern hindert und so die fruchtbaren Marschen schützt.
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Tie deutschen Meere und ihre Küsten. 37
Auch fehlen nicht gute natürliche Hafenplätze; solche bieten die langgestreckten
Förden von Schleswig-Holstein und die breiten Trichtermündungen der großen
Ströme, an denen auch "Deutschlands Haupthandelshäsen emporgewachsen sind.
Dazu ist die Nordsee durch ihre ganze Natur, insbesondere durch ihre heftigen
Stürme, eine vortreffliche Schule für den Seemann.
2. Wirtschaftliche Gründe. Die starke Zunahme der Bevölkerung
des Deutschen Reiches (jährlich um 800 000 Seelen) veranlaßte alljährlich Tausende
unserer Landsleute zur Auswanderung in überseeische Gebiete, so daß wir schon
aus diesem Grund ein lebhaftes Interesse daran haben, den Verkehr zur See auf-
rechtzuerhalten, um gegebenenfalls den in der Fremde lebenden Stammesgenoffen
den Schutz des Vaterlands angedeihen zu lassen^).
In den überseeischen Gebieten sind in landwirtschaftlichen und gewerblichen
Unternehmungen weit über 10 Milliarden deutscher Kapitalien angelegt, vor allem in
Amerika; aber auch in Asrika, Australien und manchen Teilen Asiens arbeiten
Hunderte von Millionen deutschen Geldes.
Unsere Industrie bezieht einerseits einen großen Teil ihrer Rohstoffe (nahezu
%) aus fernen Ländern, z. B. Baumwolle, Seide, Wolle, Tabak, Kautschuk, ander-
seits bedarf sie der Beziehungen zu diesen Ländern für den Absatz ihrer Erzeug-
niffe^). Auch unser Bedarf an Brotgetreide und Fleisch kann nicht völlig durch
die deutsche Landwirtschaft gedeckt werden, und wir sind daher auf Zufuhr von
auswärts, vor allem auch aus überseeischen Gebieten, angewiesen.^)
Die deutsche Handelsflotte hat in den letzten Jahrzehnten so große Fort-
schritte gemacht, daß sie heute in ihrer Leistungsfähigkeit unter allen Welthandels-
flotten den zweiten Rang einnimmt. (S. S. 86).
Der deutsche Außenhandel, der 1911 einen Gesamtwert von 17,8 Mil-
liarden Mark darstellt (England 21 Milliarden Mark) und der mit jedem Jahr
zunimmt, ist zum weitaus größeren Teile Seehandel; es entfallen auf ihn reich-
lich 2/3 des gesamten deutschen Außenhandels.
Ein erhöhtes Anrecht auf die See verleiht uns endlich die Erwerbung unseres
ausgedehnten Kolonialbesitzes.
3. Geschichtliche Gründe. Wo immer deutsche Stämme an die Küste
herantraten, ward das Meer für sie eine willkommene Schule der Tatkraft, der Unter-
nehmnngslust und des Kriegsmuts, und die deutsche Dichtung verherrlicht neben den
tragischen Kämpfen der Stämme im Binnenland in gleich hohen Tönen das Ringen
der deutschen Seekönige; neben dem Nibelungenlied steht die Gudrundichtung.
1) 1907 wanderten 31696 Deutsche aus. Im Ausland leben 3 Millionen geborene
Deutsche und 799 Wo Reichsangehörige. 8—9 Mill. sprechen in den Vereinigten Staaten die
deutsche Sprache.
2) Einfuhrwerte wichtiger von Übersee bezogener Rohstoffe i. I. 1919: S. auch S. 36ff.)
Baumwolle . . 561 Mill. Mk. Rohseide ... 147 Mill. Mk.
Schafwolle . . 399 „ „ Chilesalpeter . . 134 „
Kautschuk und Palmkerne und
Guttapercha . 279 „ „ Kopra ... 179
3) Einfuhr von Getreide (1910): 687 Mill. M., von Rindvieh 159 Mill. M.
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Amerika Australien England
Der deutsche Handel.
21
Jm Jahre , 1u5
l</ert im 22
Mtuiarden 27
Mark : 2 Q
Lange vernachlässigt wurde die Fischerei. Man schenkt ihr aber in neuester
Zeit erhöhte Aufmerksamkeit, namentlich auch der Seefischerei. Immerhin ist
Deutschlands Anteil an der Hochseefischerei der Welt noch recht gering (3%, Eng-
land 22%, Norwegen 13%). Es werden daher noch für viele Mill. M. Fische ein-
geführt^). Die Hochseefischerei liefert namentlich Heringe und Kabeljaus (ge-
trocknet: Stockfisch).
Vi. Der deutsche Handel.
Unter den Ländern Europas besitzt Deutschland nächst England die günstigsten
Bedingungen zur Entfaltung eines reichen Handelslebens, ja in mancher Hinsicht
erscheint es seinem gefährlichsten Mitbewerber auf dem Weltmarkt sogar überlegen.
Die bisherige Überlegenheit Englands ist ungleich mehr in geschichtlichen als in
geographischen Ursachen begründet.
Mit England teilt das Reich die Lage an der Nordsee, dem verkehrsreichsten
Randmeer des Atlantischen Ozeans. Aber es ist zugleich auch das wichtigste Durch-
gangsland des europäischen Binnenverkehrs.
Als die Hebel der modernen Industrie betrachtet man mit Recht Kohle und
Eisen, und Englands Reichtum an diesen beiden Mineralien begründete nicht zum
wenigsten den riesenhaften Aufschwung sei-
nes Handels und Verkehrs seit dem Beginn
des vorigen Jahrhunderts. Aber die Massen-
hafte Ausbeutung der Lager muß auch zu
ihrer frühzeitigen Erschöpfung führen, wo-
gegen eine starke Ausnutzung der deutschen
Eisen- und Kohlenschätze erst begonnen hat.
Unter der Annahme der heutigen Förde-
rungsmengen werden die Kohlenlager Eng-
lands schon nach 200—300 Jahren, die
Deutschlands erst nach 600—1000 Jahren
erschöpft sein. Während die Eisenvorräte
Englands auf 250 Millionen Tonnen ge-
fchätzt werden, veranschlagt man die deut-
scheu auf das 10 fache.
Dazu kommt, daß Deutschlands Be-
völkerung die Englands um mehr als 15 Mil-
lionen übertrifft und daß die deutsche Volks-
bildung allgemeiner ist und mehr und mehr, wie auch die wissenschaftliche Bildung,
eine praktischere Gestaltung annimmt. — Erst vor wenigen Jahrzehnten ist Deutsch-
land auch in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten.
In der Tat hat Deutschland im verhältnismäßigen Anwachsen seines
Handels England weit überflügelt (fiehe S. 1 Anmerkung). Heute ist der deutsche
Außenhandel mit 17,8 Milliarden M. (1911) der zweitgrößte der Welt.
Nur der Außenhandel Großbritanniens mit über 21 Milliarden M. geht noch
darüber hinaus.
') Wert der Fischeinfuhr 1907 :87 Mill. M.
1900 1905 1903 1909 1910 1w
21,1
17s
Außenhandel der wichtipsten Welthandclsstaaten
in Milliarden Mark.
Deutschland
— England
+++ Ver. Staaten
-----Frankreich
......Niederlande.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Norwegen Europas Deutschland England Englands Nordsee Englands Deutschlands Englands Deutschlands Englands Deutschland England Großbritanniens Deutschland England
flarwensclflebirfle '2500 m
®c|'tlicf)e Ausbuchtung de-, Walcheusces
<S00 m Mccreshöhc, 190 m Tiefe
Otztalcr Alpen 8700 m
Sbettcrftciiiflcbirflc
8800 m
Blick vom Herzog st and (1760 m) auf die nördlichen Kalkalpen und die Zentralalpen.
Der Herzogstand, zu dessen Gipfel ein Promenadeweg bequem emporführt, gewährt einen ebenso reizvollen als lehrreichen Blick auf den eigenartigen Faltenbau der
nordlichen Kalkalpen. Gleich den Wellen eines erstarrten Meers türmt sich vor den Augen des Beschauers Falte um Falte empor, gegen S. immer hoher ansteigend,
bis sie ihren Abschluß am Jnntal finden, jenseits dessen die schneebedeckten Zentralalpen aufragen. Ein Quertal hat den Faltenbau dnrchrissen und führt vom
Walchensee, dessen Buchten das Bild zeigt, auf schöner Straße südwärts nach Mittenwald im oberen Isartal und weiterhin nach Innsbruck in Tirol.
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10
Deutsche Geschichte bis zur Gründung de» nationalen Staat- 919.
wesentliche Ursache der Völkerwanderung. Dazu kam, daß die höhere Kultur und die vielfachen Genüsse des römischen Lebens etwas Verlockendes für viele von ihnen haben mußten. So traten denn zahlreiche Germanen in das römische Heer ein, das schließlich fast ganz aus Barbaren bestand; oder sie ließen sich als zinspflichtige Leute auf den Grundstücken römischer Gutsherren ansiedeln. Ganze Stämme wanderten mit Zustimmung der Behörden ein, ließen sich Land verleihen und übernahmen die Pflicht, das Reich gegen ihre eigenen Landsleute zu verteidigen.
Seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts n. Chr. wurden aber auch die kriegerischen Angriffe immer heftiger. Zu den Zeiten des Kaisers Mark Aurel (um 170) griffen die Markomannen Jahr für Jahr die Grenze an. Kurze Zeit später traten die Namen neuer Völker auf, die durch Better ^en Zusammenschluß kleinerer Völkerschaften entstanden waren. Die Franken saßen am Niederrhein und suchten von dort nach Gallien einzudringen; die Alamannen (auch Sweben, Schwaben genannt) überschritten den römischen Grenzwall und eroberten das dahinter liegende „Zehntland"; die Sachsen, welche im heutigen Hannover, Oldenburg und Westfalen wohnten, machten mit ihren Schiffen die Meere unsicher und brandschatzten die Küsten. Die Goten endlich verließen ihre Sitze an der unteren Weichsel, wanderten nach den Küsten des schwarzen Meeres, und die Römer mußten ihnen die Lande an der unteren Donau überlassen.
Die Goten sind das erste germanische Volk, unter dem das Christentum Eingang fand, und zwar in der Form, wie es der Kirchenlehrer Arius Wulsila. gelehrt hatte. Wulfila, der Sohn römischer Kriegsgefangenen, verbreitete es bei einem Teile der Goten, deren Bischof er wurde. Er hat auch die Bibel in das Gotische übersetzt, und diese Bibelübersetzung ist das früheste Denkmal der deutschen Sprache.
Der Einbruch der Hunnen und die Gründung germanischer Ttaatcn auf dem Boden des weströmischen Reichs.
§ 9. Hunnen und Goten. Schon mehrere Jahrhunderte dauerte der Ansturm der Germanen auf das römische Reich, als ein Ereignis eintrat, das in seinen Folgen zu einer Überflutung des weströmischen Reiches durch Me germanische Scharen führte. Im Jahre 375 brachen die Hunnen, ein mongolisches Reitervolk von häßlichem Aussehen und rohen Sitten, das aus dem mittleren Asien stammte, keinen Ackerbau trieb, sondern sich von Viehzucht ernährte und nomadisch von Ort zu Ort wanderte, über die Wolga in Europa ein. Sie trafen in Südrußland zuerst auf die Ostgoten, deren König, der mehr als hundertjährige Ermanarich, sich den Tod gab, und unter-
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Extrahierte Personennamen: Arius_Wulsila
Extrahierte Ortsnamen: Gallien Schwaben Sachsen Hannover Oldenburg Westfalen Donau Asien Europa Südrußland
Friedrich I. Barbarossa 1152—1190.
55
Kampfe dem Aufgebot der lombardischen Städte. Der Kaiser selbst stürzte mit dem Rosse und galt für tot: erst einige Tage später fand er sich bei dem Reste seines Heeres wieder ein.
Jetzt änderte Friedrich seine Politik. Hatte er es bisher darauf abgelegt, eine unumschränkte kaiserliche Macht in Italien zu begründen, so zeigte er sich nunmehr zu Zugeständnissen an seine Gegner bereit. Zuerst mit kam er in Venedig mit dem Papste zusammen, einem bei allem Stolze edlen, hochdenkenden und versöhnlichen Kirchenfürsten. In der Markuskirche 6atben küßte er ihm die Füße, wurde von ihm aufgehoben und erhielt den Friedenskuß. Dann schloß er mit den Lombarden Frieden. Sie huldigten dem Kaiser und leisteten den Eid der Treue, erhielten aber das Recht, ihre Beamten zu wählen und ihre Angelegenheiten selbständig zu verwalten.
§ 58. Der Sturz Heinrichs des Löwen. So war der italienische 6freix. Krieg beendet, und der Kaiser konnte sich der Aufgabe zuwenden, in Deutschland sich Gehorsam zu verschaffen und insbesondere Heinrich den Löwen zu demütigen. Heinrich, der Besitzer der Herzogtümer Sachsen und Bayern, der am Fuße der Alpen ebenso wie ant Strande der Nordsee gebot, hatte, während Friedrich in Italien beschäftigt war, seine gewaltige Macht zu Eroberungen im östlichen Holstein, Mecklenburg und selbst in Pommern benutzt; dadurch hatte er nicht nur für sein Haus, sondern für das Deutschtum Großes geleistet. In jenem Jahrhundert begann eine große, nach Osten gerichtete Bewegung des deutschen Volkes; Deutsche wie an der Ostsee Heinrich der Löwe, so waren in Brandenburg Albrechtnrsation. der Bär und in der Mark Meißen das Fürstenhaus der Wettiner für das Deutschtum tätig. Deutsche Bauern wurden in den bisher slavischen Gebieten angesiedelt, deutsche Mönche bauten Klöster und wirkten für die Bekehrung der Urbewohner und zugleich für die Urbarmachung des Landes, deutsche Ritter gründeten Burgen und verteidigten das neugewonnene Land gegen fremde Angriffe; deutsche Städte endlich entstanden, wie Lübeck, Brandenburg und im nächsten Jahrhundert auch die Doppelstadt Berlin-Kölln. So wurden Lande, die einst schon germanischer Besitz gewesen waren, von neuem für deutsches Wesen und zugleich für das Christentum gewonnen und einer höheren Kultur zugeführt.
Durch feine kluge und tatkräftige Politik war aber Heinrich derbfget^e3n Löwe so mächtig geworden, daß er geglaubt hatte, feinem Lehnsherrn den Sturz. Gehorsam versagen zu dürfen. Auch jetzt stellte er sich, obwohl viermal vorgeladen, dem Kaiser nicht. Als dieser jedoch nach Sachsen zog, als die vielen Gegner, die sich Heinrich durch seinen rücksichtslosen Stolz zugezogen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich_derbfget^e3n Heinrich Heinrich Heinrich
— 175 —
diesen Plan zu hintertreiben. Die Franzosen fühlten fidi cuett als Herren Der Stadt und handelten als solche, obwohl der Kurfürst von Mainz, der größte Gegner Friedrichs Ii., ihr treuester
Verbündeter war. ^
Nach der Lchlacht: Bald aber änderte sich das Bild. <zu
der Schlacht bei Roßbach hatte Friedrich mit der Potsdamer Wacht-parade einen glänzenden Sieg über die Reichsarmee und das sran-
zösische Heer errungen. Nun flohen die Franzosen, so schnell sie
konnten, dem Rheine zu und berührten auf ihrer Flucht auch Erfurt. Am 7. November, zwei Tage nach der Schlacht, trafen die
ersten Verwundeten und Versprengten hier ein. Bald aber solgten große Scharen nach, Fußvolk und Reiterei, Offiziere und Gemeine, alles in buntem Gemisch durcheinander und alle in einem erbärmlichen Zustande. Die meisten hatten ihre Gewehre und alles, was ihre eilige Flucht hätte hindern können, weggeworfen. Viele hatten keine Helme mehr auf dem Kopfe und keine Schuhe mehr an den Füßen. Einige hielten lange Bohnenstangen in den Händen und führten nach Frosches Art ungeheure Sprünge aus. Wirk lich, eine richtige Reißausarmee! — Andere wieder weinten bitterlich. Sie hatten sich während der Schlacht an den durch das Schießen heiß gewordenen Gewehren die Finger verbrannt. Besonders ausfällig war aber die Schweigsamkeit aller. Früher hatten sie den Mund nicht voll genug nehmen können, jetzt aber entschlüpfte nur selten ein „Sacre nom de Dieu“ ihren bebenden Lippen. Friedrichs Feldherrnkunst hatte ihre ruhmredigen Zungen gelähmt. Sie beschrieben, wenn sie gefragt wurden, die Schlacht mit wenig Worten: „O mon Dieu!“ Die klein, klein Trupp! O Die groß, groß Feuer!"
Bald kamen auch die Gepäckwagen zurück. Ihr Durchzug wollte gar kein Ende nehmen; drei Tage dauerte er in einem fort. Die Bauern der Dörfer, durch welche der Rückzug ging, hatten furchtbar zu leiden. Viele Orte wurden ausgeplündert, z. B. Ollendorf, Klein-Mölfen und Tüttleben. Beim Anrücken eines versprengten Haufens zogen darum die Bauern die Sturmglocke und stellten sich, mit Mistgabeln, Dreschflegeln und Sensen bewaffnet, zur Wehr, und mancher französische Soldat hat damals durch die von der Verzweiflung übermannten Schützer des heimatlichen Herdes seinen Tod gesunden. (Nach Const. Beyer.)
61. Erfurt im Siebenjährigen Kriege.
Grund der Feindschaft: Im August 1756 fiel Friedrich Ii. unerwartet in Sachsen ein. Dafür wurde er auf dem Reichstage zu Regeusburg von den versammelten deutschen Fürsten mit der Acht belegt. Hierbei war der Kurfürst von Mainz besonders tätig gewesen. Dem König blieb das Tun des Erzbifchofes nicht ver-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrichs_Feldherrnkunst Friedrichs B._Ollendorf August Friedrich_Ii Friedrich
Dietrich ist nur noch Johann Philipp 1664 als Eroberer eingezogen, ihm mußte die Stadt ihr Landgebiet und das gesamte Stadlvermögen uberlassen. inach Prof. Dr. Carl Beyer.)
31. Erfurt im 14. Jahrhundert.
Ein Stadtbild.
Der heutige Mensch ist kaum noch imstande, sich das Stratzen-leben einer mittelalterlichen Stadt in seiner ganzen Vielgestaltigkeit vorzustellen.
Aeutzeres der Stadt: Die Gassen waren damals schmale
Häuserreihen, die sich oft so nahe gegenüberstanden, daß die Nachbarn sich ohne allzugroße Anstrengung über sie hinweg die Hand reichen konnten. Schon das Obergeschoß war stark übergebaut, und das „Uebergezimbre" ragte mit jedem neuen Stockwerk weiter bor. Oft neigten sich die Spitzen der Giebel so nahe gegeneinander, daß Licht und Luft nur sehr dürftig in die Gassen und in die Häuser hinabdringen konnten. In der Erfurter Altstadt finden sich heute noch zahlreiche Gassen, die mit ihrer ganzen Regellosigkeit und Enge aus dem frühen Mittelalter stammen, nur daß die alten Häuslein längst verschwunden sind und daß die heute dort stehenden Häuser gar keinen Begriff von dem starken „Uebergezimbre" der alten Zeiten geben. Besonders bezeichnend für die Beschaffenheit der Straßen im alten Erfurt ist, daß man die Marktstraße, heute in ihrem östlichen Teile eine der engsten Verkehrsstraßen der Stadt, die „breite Straße" ober auch kurzweg „die Straße" nannte, weil in ihr zwei Wagen vorüberfahren konnten.
Dann kam im alten Erfurt noch etwas anderes hinzu: die Klingen. Es gab viele Gassen, in denen die offenen, von der Gera und der Hirschlache gespeisten Kanäle die ganze Breite einnahmen. Ließen die sonstigen Verhältnisse der Gasse einen Wagenverkehr überhaupt zu, dann fuhren die Wagen eben in den Klingen, also im Wasser. Ja, an einigen Stellen, z. B. am Langen Stege, der heutigen Schlösserbrücke, mußten die Wagen, wenn sie das jenseitige Ufer gewinnen wollten, durch das Flußbett fahren. Allerbings war der Wagenverkehr damals nicht groß und brauchte darum auf ihn bei der Anlage der Gassen und Brücken nur geringe Rücksicht genommen zu werden. Der Leiterwagen eines Bauern oder ein Wagen mit Kaufmannsgütern — das war so ziemlich alles, und es mag wohl geschehen fein, daß sich in vielen Straßen tagelang kein Wagen sehen ließ. Für die Fußgänger waren Trittsteine in die Klingen gelegt. Sie ermöglichten es, trockenen Fußes von einer Seite der Gasse zur andern zu kommen. Die letzten dieser Klingen sind erst mit dem Ban der Wasserleitung (nach 1870) verschwunden. Bis dahin haben sie ihre Be-
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Extrahierte Personennamen: Johann_Philipp Johann Philipp Carl_Beyer
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